Am 01. Januar 2023 ist das novellierte EEG in Kraft getreten. Das EEG 2023 ist damit die größte energiepolitische Gesetzesnovelle seit Jahrzehnten. Welche Vor- und Nachteile die Novellierung für Bürgerenergiegesellschaften mit sich bringt, hat Rechtsanwältin Katharina Vieweg-Puschmann zusammengefasst sowie etwaige Alternativen aufgezeigt.

Wesentliche Neuerungen für Bürgerenergiegesellschaften

Mit dem EEG 2023 hat der Gesetzgeber zahlreiche Neuerungen geschaffen. Diese betreffen insbesondere auch Bürgerenergiegesellschaften. Zu den wesentlichen Neuerungen der Bürgerenergiegesellschaft unter dem EEG 2023 gegenüber den Vorgängerfassungen des EEG 2021 und EEG 2017 zählen insbesondere folgende Aspekte:

Zum einen stehen Bürgerenergiegesellschaften nun nicht mehr nur für Windenergieprojekte, sondern auch für Solarprojekte offen. Zum anderen sind nunmehr mindestens 50 natürliche Personen als stimmberechtigte Mitglieder oder Anteilseigner erforderlich. Vormals waren lediglich mindestens 10 natürliche Personen erforderlich. Das Mindesterfordernis von 50 natürlichen Personen klingt erst einmal gut – soll doch die lokale Akteursvielfalt und die wahre Bürgerbeteiligung gefördert werden. Doch Achtung: Die Zahl von 50 könnte der sprichwörtliche casus cnactus im Hinblick auf die Prospektpflicht nach dem Vermögensanlagengesetz (VermAnlG) sein.

Vorteile für Bürgerenergiegesellschaften

Daher stellt sich zunächst die Frage, was die Vorteile der Bürgerenergiegesellschaft sind. Ein Vorteil ist die Ausschreibungsfreiheit. Bei Windenergieanlagen an Land besteht sie im Fall einer installierten Leistung bis einschließlich 18 MW, bei Solaranlagen mit einer installierten Leistung bis einschließlich 6 MW. Aber Achtung: Hier besteht ein großer Haken. Denn es kann eine Anlagenzusammenfassung nach der Regelung des § 24 EEG 2023 einsetzen. Danach stehen mehrere Windenergieanlagen oder Freiflächenanlagen für den jeweils zuletzt in Betrieb gesetzten Generator einer Anlage gleich, wenn sie innerhalb derselben Gemeinde und innerhalb von 24 aufeinanderfolgenden Kalendermonaten in einem Abstand von bis zu 2 km Luftlinie in Betrieb genommen worden sind. Hier ist Vorsicht geboten - denn der Wortlaut des Gesetzes ist nicht auf Windenergieanlagen oder Solaranlagen beschränkt, die von Bürgerenergiegesellschaften in Betrieb genommen wurden. Der Wortlaut kann daher so gelesen werden, dass er sämtliche (!) in den letzten 24 Monaten innerhalb eines 2 km-Radius in Betrieb genommenen Anlagen auch anderer Technologien erfasst. Ob dies der gesetzgeberische Sinn ist, erscheint zweifelhaft. Hier gilt also sorgfältig zu prüfen, ob eine Anlagenzusammenfassung eintreten könnte, die die Ausschreibungsfreiheit sprengte.

In vergütungsrechtlicher Hinsicht ist – im wahrsten Sinne des Wortes - zu rechnen, ob sich die Bürgerenergiegesellschaft lohnt. Bei Windenergieanlagen bestimmt sich die Vergütung nach dem Durchschnitt der Gebotswerte des jeweils höchsten noch bezuschlagten Gebots der Gebotstermine für Windenergieanlagen an Land im Vorvorjahr. Bei Solaranlagen bestimmt sich die Vergütung aus dem Durchschnitt der jeweils höchsten noch bezuschlagten Gebotswerte des jeweiligen Segments im Vorjahr der Inbetriebnahme. Hier ist also ein wenig Vergangenheitsrecherche erforderlich zwecks Vergleich mit den aktuellen Gebotswerten.

Nachteile für Bürgerenergiegesellschaften

Doch weist die Bürgerenergiegesellschaft auch Nachteile auf? Dies ist leider zu bejahen. Denn es gibt zum einen Sperrfristen. So darf es 3 Jahre vor und 3 Jahre nach dem hiesigen Projekt kein weiteres Windenergieprojekt der Bürgerenergiegesellschaft oder deren „stimmberechtigte-juristische-Personen-Mitglieder“ geben. Dies heißt, die Sperrfrist gilt nicht für natürliche Personen, die an der Bürgerenergiegesellschaft und zugleich an anderen Bürgerenergiegesellschaften beteiligt sind oder selbst Windenergieanlagen in Betrieb genommen haben. Auch für Solaranlagen gibt es die Sperrfrist 3 Jahre vor und 3 Jahre nach des hiesigen Projekts. Diese Sperrfrist ist bezogen auf Solarprojekte desselben Segments und gleichfalls wieder nur für stimmberechtigte-juristische-Personen-Mitglieder und nicht für natürliche Personen.

Ein weiterer Nachteil der Bürgerenergiegesellschaft sind strenge Nachweispflichten betreffend die Erfüllung der Voraussetzungen als Bürgerenergiegesellschaft gegenüber dem Netzbetreiber. Diese sind bei Inbetriebnahme und dann alle 5 Jahre zu erbringen. Achtung: Fehlt der Nachweis, entfällt der Zahlungsanspruch ab dem 3. Monat des fehlenden Nachweises.

Ein ganz wesentlicher Nachteil der Bürgerenergiegesellschaft dürfte noch das sprichwörtliche Damoklesschwert der Verkaufsprospektpflicht nach dem VermAnlG sein. Hintergrund ist die eingangs erwähnte Mindestanzahl von 50 natürlichen Personen als stimmberechtigte Mitglieder oder Anteilseigner. Wie wird man Mitglied oder Anteilseigner einer Bürgerenergiegesellschaft? Regelmäßig, indem man einen Anteil an dieser Gesellschaft erwirbt, die oftmals als GmbH & Co. KG ausgestaltet ist. KG-Anteile sind aber Vermögensanlagen im Sinne des VermAnlG und § 6 des VermAnlG regelt, dass das Anbieten von Vermögensanlagen regelmäßig die Prospektpflicht auslöst. Dies bedeutet, die Bürgerenergiegesellschaft ist grundsätzlich in der Pflicht zur Veröffentlichung eines Verkaufsprospektes. Dies ist regelmäßig: Teuer, zeitaufwendig und formalistisch!

Alternativen zur Prospektpflicht

Gibt es Alternativen zur Prospektpflicht? Eine Möglichkeit könnte die Inanspruchnahme der De-Minimis-Regelung des VermAnlG sein. Danach besteht keine Prospektpflicht, wenn von derselben Vermögensanlage nicht mehr als 20 Anteile angeboten werden. Wie aber nicht mehr als 20 Anteile anbieten und dennoch mindestens 50 natürliche Personen für die Eigenschaft als Bürgerenergiegesellschaft aufweisen? Eine Möglichkeit könnte darin bestehen, möglichst viele Gründungskommanditisten „einzusammeln“. Was ist Hintergrund dieser Idee? Der Sinn der Prospektpflicht: Mit dem Prospekt soll der Anleger umfassend über das konkrete Projekt informiert werden. Wer aber bedarf keines Schutzes? Derjenige, der das konkrete Projekt von der Wiege an kennt, sprich die Gründungskommanditisten. Von daher kann argumentiert werden, dass die Gründungskommanditisten bei den 20 Anteilen der De-Minimis-Ausnahme des VermAnlG nicht mitzählen. Man könnte also auf den Gedanken kommen, mindestens 50 Gründungskommanditisten einzusammeln, um die Voraussetzungen der Bürgerenergiegesellschaft nach dem EEG zu erfüllen und trotzdem nicht der Prospektpflicht zu unterliegen. Aber Achtung: Es muss aber ein deutlicher Risikohinweis erteilt werden: Das Einsammeln von Gründungskommanditisten zur Inanspruchnahme der Ausnahmeregelung des VermAnlG wird in der Praxis vorgenommen und ist nach Stimmen der juristischen Kommentarliteratur möglich, im Gesetz aber nicht ausdrücklich verankert. Es besteht daher das eindeutige Risiko einer anderslautenden Auffassung der BaFin oder eines Gerichts.

Die zweite Alternative zur Prospektpflicht wäre die Gründung einer Genossenschaft, denn das VermAnlG sieht keine Prospektpflicht für Anteile an einer Genossenschaft im Sinne des GenG vor, wenn für den Vertrieb der Anteile keine erfolgsabhängige Vergütung gezahlt wird. Doch auch hier sind Stolpersteine zu wahren – „nicht überall, wo Genossenschaft draufsteht, ist auch Genossenschaft drin“. So sind z. B. sogenannte Waldgenossenschaften oftmals keine Genossenschaften im Sinne des GenG. Das VermAnlG verlangt jedoch eine eingetragene Genossenschaft im Sinne des § 1 GenG. Auch wenn eine solche vorliegt oder gegründet werden kann, ist zu beachten, dass diese formal(-istisch?) organisiert ist. Es handelt sich so gesehen um eine kleine AG.

Im Zweifel sollte jeder Anlagenbetreiber sorgfältig prüfen, ob der Weg in die Bürgerenergiegesellschaft angesichts der aufgezeigten Hürden und Risiken lohnt.

Ansprechpartnerin

Katharina Vieweg-Puschmann

Rechtsanwältin und Notarin bei Engemann & Partner, Rechtsanwälte mbB

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