Ob im Rahmen des Genehmigungsverfahrens für Windenergieanlagen eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) durchgeführt werden muss, darüber entscheidet eine UVP-Vorprüfung. Doch wann genau und in welchem Rahmen diese Prüfung stattfinden muss, darüber herrscht Uneinigkeit, wie ein Blick in die aktuelle Rechtsprechung zeigt.
Standortbezogene oder allgemeine UVP-Vorprüfung?
Eine der häufigsten Stolperfallen für Planer und Projektierer von Windenergievorhaben – aber auch für Genehmigungsbehörden – ist die Frage, ob im Genehmigungsverfahren eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) durchgeführt werden muss. Sofern eine bestimmte Anlagenzahl nicht unter- oder überschritten wird (bis max. zwei Windenergieanlagen keine Prüfung; ab 20 WEA im räumlich-funktionalen Zusammenhang immer UVP) oder der Planer sich entschließt, freiwillig eine UVP durchführen zu lassen, wird darüber in einer sog. UVP-Vorprüfung entschieden.
Das Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) sieht vor, dass bei drei bis fünf WEA im räumlich-funktionalen Zusammenhang eine standortbezogene, bei sechs bis 19 WEA eine allgemeine Vorprüfung durchzuführen ist.
Eingeschränktes Prüfprogramm für standortbezogene Vorprüfung
Neben den Unsicherheiten, wann welche Windenergieanlagen möglicherweise zu einer solchen Windfarm zusammenzurechnen sind, steht häufig auch die Frage im Raum, welche Aspekte im Rahmen einer solchen Vorprüfung zu untersuchen sind.
Das UVPG sieht für die standortbezogene Vorprüfung ein eingeschränktes Prüfprogramm vor. Zu prüfen ist danach, ob „besondere örtliche Gegebenheiten“ vorliegen. Zu diesen besonderen örtlichen Gegebenheiten zählen – entsprechend einer Auflistung in einer Anlage zum Gesetz – zum Beispiel förmlich ausgewiesene Naturschutzgebiete, europäische Vogelschutzgebiete oder gesetzlich geschützte Biotope.
Das Oberverwaltungsgericht (OVG) NRW hatte 2017 in viel beachteten Urteilen dazu die Auffassung vertreten, die Aufzählung dieser besonders geschützten Gebiete sei nicht abschließend. Vielmehr müssten auch alle Brut-, Nahrungs- und Rasthabitate, der nach dem europäischen und nationalen Artenschutzrecht besonders und streng geschützten Arten, im Einwirkungsbereich geplanter Windenergieanlagen den gleichen Schutz genießen. Dem hat das Bundesverwaltungsgericht nun jedoch eine Absage erteilt.
Aufhebung der Genehmigungen nach Klage
Drei Privatkläger und der Landesverband NRW des Naturschutzbundes Deutschland (NABU) hatten in insgesamt vier Parallelverfahren die immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen für insgesamt fünf Windenergieanlagen in Preußisch Oldendorf beklagt.
Alle vier Kläger rügten die angeblich mangelhafte Berücksichtigung artenschutzrechtlicher Belange, insbesondere einen drohenden Verstoß gegen das naturschutzrechtliche Tötungsverbot in Bezug auf Weißstorch, Rohrweihe und Fledermäuse sowie die Nichtdurchführung einer UVP. Die Privatkläger wandten sich darüber hinaus gegen Lärm- und Schatteneinwirkungen sowie die angeblich optisch bedrängende Wirkung der Anlagen.
Nachdem das Verwaltungsgericht Minden sämtliche Klagen abgewiesen hatte, hob das OVG NRW in der Berufungsinstanz die Genehmigungen für die Windenergieanlagen auf (Urteile vom 18.05.2017, 8 A 870/15 u.a.). Zur Begründung vertrat das OVG die Auffassung, sämtliche fünf Windenergieanlagen seien zusammen als Windfarm im Sinne des UVPG zu betrachten, sodass eine standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalls erforderlich ist.
UVP-Ergebnis laut Oberverwaltungsgericht NRW nicht nachvollziehbar
Das Ergebnis der tatsächlich auch durchgeführten UVP-Vorprüfung, wonach eine förmliche UVP und damit ein Genehmigungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung nicht erforderlich ist, war nach Ansicht des OVG allerdings nicht nachvollziehbar. Dies gelte auch in Ansehung der vorgesehenen Vermeidungs- und Minderungsmaßnahmen, weil diese einen Verstoß gegen das Tötungsverbot des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG vor allem für Rohrweihe und Fledermäuse nicht von vornherein offensichtlich ausschlössen.
Aufgrund der sich daraus nach seiner Auffassung ergebenden Fehlerhaftigkeit der UVP-Vorprüfung kam das OVG zu dem Schluss, dass eine förmliche UVP hätte durchgeführt werden müssen. Zu diesem Ergebnis konnte das OVG wiederum nur auf der Basis seiner oben geschilderten Ansicht gelangen, dass artenschutzrechtliche Belange allein aufgrund des Vorkommens geschützter Arten im Einwirkungsbereich der vorgesehenen Anlagenstandorte auch bei einer standortbezogenen Vorprüfung zu berücksichtigen seien.
Praxisferne Vorgaben setzen Unterscheidung zwischen standortbezogener und allgemeiner UVP außer Kraft
Diese so nur vom OVG NRW (entgegen der Judikate der Oberverwaltungsgerichte und Verwaltungsgerichtshöfe in sieben anderen Bundesländern) vertretene Auffassung hätte dazu geführt, dass die vom Gesetzgeber gewollte Unterscheidung zwischen standortbezogener und allgemeiner UVP-Vorprüfung praktisch aufgehoben worden wäre.
Zu den nach europäischem und nationalem Artenschutzrecht besonders und streng geschützten Arten zählen insbesondere alle europäischen Vogelarten. Es ist bei realistischer Betrachtungsweise praktisch ausgeschlossen, dass in der Nähe eines geplanten Windenergiestandorts nicht irgendeine europäische Vogelart nistet, rastet oder Nahrung sucht.
Nach Ansicht des OVG NRW hätten die Belange des Artenschutzes auch im Rahmen einer standortbezogenen UVP-Vorprüfung mindestens dann umfassend geprüft und berücksichtigt werden müssen, wenn es sich bei einem solchen Vorkommen um eine windenergiesensible Art im Sinne des einschlägigen Artenschutzleitfadens handelt.
Dies hätte zur Folge, dass wenn negative Umweltauswirkungen auf das lokale Vorkommen der Art nicht von vornherein offensichtlich auszuschließen sind, allein dies zum Erfordernis einer UVP mit Öffentlichkeitsbeteiligung führen würde.
Bundesverwaltungsgericht: Entscheidung des Gesetzgebers soll respektiert werden
Der für das Umweltrecht zuständige Siebte Senat des Bundesverwaltungsgerichts hat in seinen Urteilen vom 26.09.2019 (7 C 5.18 u.a.) nun klargestellt, dass auch ein Vorkommen windenergiesensibler Arten im Umkreis geplanter Windenergiestandorte keine besondere, dem Schutzstatus förmlich ausgewiesener Schutzgebiete entsprechende Schutzbedürftigkeit begründet.
Vielmehr sei die Entscheidung des Gesetzgebers zu respektieren, wonach zwischen standortbezogener und allgemeiner UVP-Vorprüfung zu unterscheiden sei. Aufgrund der geringen Größe und Leistung von Vorhaben, die lediglich einer standortbezogenen Vorprüfung zu unterziehen sind, ist regelmäßig nicht davon auszugehen, dass diese besondere nachteilige Umweltauswirkungen hervorrufen. Daher bedarf es eben keiner Umweltverträglichkeitsprüfung, sofern keine besonderen örtlichen Gegebenheiten für das Gegenteil sprechen.
Ungeachtet dieser rein UVP- und damit verfahrensrechtlichen Frage sind artenschutzrechtliche Belange selbstverständlich in jedem Genehmigungsverfahren zu prüfen und zu beachten. Eines besonderen Verfahrens bedarf es dafür jedoch nicht.
Weitere spannende Urteile zu erwarten
Es ist durchaus möglich, dass die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts angesichts der intensiven rechtlichen Erörterungen in der mündlichen Verhandlung noch weitere interessante und bedeutsame Hinweise enthalten. Da die schriftlichen Urteile jedoch noch nicht vorliegen, ist eine Aussage hierzu bislang nicht möglich. Auch die Verfahren selbst sind noch nicht endgültig abgeschlossen.
Da das OVG in den angefochtenen Urteilen sowohl zu den spezifisch artenschutzrechtlichen als auch zu anderen Aspekten keine weiteren Feststellungen getroffen hatte, sah sich das auf die ausschließliche Prüfung von Rechtsfragen beschränkte Bundesverwaltungsgericht nicht in der Lage abschließend zu urteilen, sondern hat die Verfahren in allen vier Fällen zur erneuten Verhandlung an das OVG zurückverwiesen. Es bleibt also auch weiterhin spannend.