Fernwirkanlagen sind technische Einrichtungen, bei der die Ist-Einspeisung einer Windenergieanlage oder PV-Anlage abgerufen und die Einspeisung geregelt werden kann. Was aber, wenn diese Einrichtung aus Gründen, die der Anlagenbetreiber nicht zu vertreten hat, defekt ist? Darf der Netzbetreiber dann sofort eine Strafzahlung fordern? Antworten gibt Rechtsanwältin Katharina Vieweg-Puschmann.

Insbesondere die Betreiber von Windenergieanlagen und größerer PV-Anlagen kennen die Fernwirkanlage. Es handelt sich hierbei um eine technische Einrichtung, mit der der Netzbetreiber die Ist-Einspeisung der Anlage abrufen und die Einspeiseleistung stufenweise oder, sobald die technische Möglichkeit besteht, stufenlos ferngesteuert regeln kann. Was aber, wenn diese Einrichtung aus Gründen, die der Anlagenbetreiber nicht zu vertreten hat, defekt ist? Darf der Netzbetreiber dann sofort das scharfe Schwert der Pönalzahlung ziehen?

Ausgangslage

Die Verpflichtung des Anlagenbetreibers zur Installation einer technischen Einrichtung, wie z.B. in Gestalt der Fernwirkanlage, ist in § 9 EEG niedergelegt. Diese Norm verlangt in sämtlichen Fassungen des EEG, dass Anlagenbetreiber ihre Anlagen „mit technischen Einrichtungen ausstatten“, die eine Reduzierung der Einspeiseleitung und Abrufung der Ist-Einspeisung ermöglichen. Soweit, so gut – man stelle sich folgendes vor: Der Anlagenbetreiber hat eine solche technische Einrichtung installiert, seine Anlage also – in den Worten des Gesetzes – „ausgestattet“. Nun geschieht folgendes: Während eines Gewitters kommt es zu einer Beschädigung des Kommunikationsmoduls, ausgelöst durch Überspannung aufgrund eines Blitzeinschlags. Der Anlagenbetreiber selber hat keine Möglichkeit, diese Beschädigung selber festzustellen, da der Netzbetreiber einen Parallelzugriff des Anlagenbetreibers auf die Daten der Fernwirkanlage ausdrücklich nicht erwünscht. Erst durch den Netzbetreiber wird der Anlagenbetreiber informiert, dass die Ist-Leistungsübertragung des Windparks nicht mehr gegeben ist. Der Anlagenbetreiber veranlasst eine sofortige Ursachenerkundung, entdeckt das beschädigte Kommunikationsmodul und tauscht es innerhalb von weniger als 24 Stunden aus, sodass eine korrekte Signalüberragung wieder gegeben ist. Und obwohl der Anlagenbetreiber schneller kaum handeln konnte, ereilt ihn ein Schreiben des Netzbetreibers, wonach ein Verstoß gegen § 52 Abs. 1 Nr. 1 EEG 2023 vorläge, weil der Windpark auf ein Steuersignal der Leitstelle und die Abfrage der Ist-Einspeisung nicht ordnungsgemäß reagiert habe. Dieser Verstoß könne eine Zahlung bis zu 10 € pro kW installierter Leistung der Anlage und Kalendermonat auslösen, die mit der nächsten Gutschrift aufgerechnet würde….Die große Frage: Kann das – darf das - sein? Unseres Erachtens nicht, denn:

Einschätzung

Zahlungspflichten des Anlagenbetreibers gegenüber dem Netzbetreiber im Fall von „Pflichtverstößen“ sind in § 52 EEG 2023 niedergelegt: Im oben geschilderten Fall steht ein – angeblicher – Verstoß gegen § 52 Abs. 1 Nr. 1 EEG 2023 in Rede: Anlagenbetreiber müssen gemäß dieser Norm an den Netzbetreiber, an dessen Netz die Anlage angeschlossen ist, eine Zahlung leisten, wenn sie u.a. gegen § 9 Absatz 1 EEG verstoßen. Ein Verstoß gegen § 9 Abs. 1 EEG liegt aber nach unserer Auffassung nicht vor: Denn unstreitig hat der Anlagenbetreiber seine Windenergieanlage mit der Fernwirkanlage „ausgestattet“ und damit den Gesetzeswortlaut erfüllt. Überdies funktionierte die Fernwirkanlage bis zum Blitzeinschlag auch einwandfrei – ebenso nach der unverzüglichen Schadensbehebung durch den Anlagenbetreiber. Eine - vom Gesetzgeber verlangte – Ausstattung mit einer technischen Einrichtung verlangt vom Wortlaut her aber gerade nicht, dass die technische Einrichtung permanent funktionsfähig ist.

Dass die technische Einrichtung nicht permanent funktionsfähig sein muss, ergibt sich überdies aus der Gesetzesbegründung zur – insoweit inhaltsgleichen – Vorgängerfassung des § 6 EEG 2009. Darin wird klargestellt, dass es sich bei der Verpflichtung zur Ausrüstung der Anlage mit den geforderten technischen Einrichtungen zwar um eine Dauerverpflichtung handelt, eine Verletzung dieser Dauerverpflichtung aber gerade nicht im Fall von technischen Störungen oder Wartungsarbeiten vorliegt. Wörtlich heißt es.

„Die in den Nummern 1 und 2 niedergelegten Anforderungen bestehen im Interesse einer optimierten Netzintegration dauerhaft, d. h. die Anlage muss die geforderten technischen Eigenschaften nicht nur beim Anschluss, sondern während der gesamten Zeit aufweisen, in der sie an das Netz angeschlossen bleibt. Erfüllt die Anlage die Voraussetzungen zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr, kann der Netzbetreiber die Anlage wieder vom Netz trennen, es sei denn, es handelt sich nur um eine kurzzeitige Nichterfüllung der Bedingungen, etwa wegen technischer Störungen oder Wartungsarbeiten.“

Gleiches Ergebnis ergibt sich aus der Gesetzessystematik. Die Verpflichtung zur Ausstattung mit technischen Einrichtungen existiert nicht nur in Bezug auf die – hier in Rede stehende - Reduzierung der Einspeiseleistung und Abrufung der Ist-Einspeisung nach § 9 Abs. 1 EEG, sondern auch in Bezug auf die Ausrüstung von WEA mit einer bedarfsgerechten Nachtkennzeichnung (BNK). Gem. § 9 Abs. 8 S. 1 EEG 2023 müssen Betreiber von WEA an Land, die nach den Vorgaben des Luftverkehrsrechts zur Nachtkennzeichnung verpflichtet sind, ihre Anlagen mit einer Einrichtung zur bedarfsgesteuerten Nachtkennzeichnung von Luftfahrthindernissen ausstatten. Verstößt der Anlagenbetreiber gegen seine Pflicht aus § 9 Abs. 8 EEG 2023, entstehen auch hier Zahlungspflichten des Anlagenbetreibers nach § 52 Abs. 1 Nr. 3 EEG 2023. Auch im Rahmen der Nachtkennzeichnung kann es jedoch zu kurzfristigen Ausfällen und Störungen der eingesetzten Technologien kommen. Es liefe der Gesetzessystematik zuwider, sollte ein einmal – störungsbedingt und unverschuldet - unterlassenes –„Rot-Blinken“ mit einer Pönalzahlung einhergehen.

Auch und vor allem mit dem Gesetzeszweck des § 9 Abs. 1 EEG ist eine Sanktionierung von kurzfristigen störungsbedingten Ausfällen nicht vereinbar. Sinn und Zweck der Regelung besteht in einer optimierten Netzintegration der Anlagen. Diese optimierte Netzintegration wird aber nicht gefährdet, wenn eine kurzfristige störungsbedingte Nichtverfügbarkeit der technischen Einrichtung sanktionslos bleibt. Denn durch die unverzügliche Behebung des Defekts, die ein Anlagenbetreiber binnen weniger als 24 Stunden veranlasst, wird gerade sichergesellt, dass die Anlage wieder gedrosselt werden kann und damit eine optimierte Netzintegration erreicht wird.

Fazit

Insgesamt also ein Bündel an Argumenten, die gegen eine Sanktionierung sprechen. Doch der Netzbetreiber hält an der Pönalzahlungspflicht des Anlagenbetreibers fest – man würde sicherlich nicht streiten können, dass der Gesetzgeber die Ausstattung mit einer jederzeit funktionsfähigen technischen Einrichtung verlange. Dass man hierüber sehr wohl trefflich streiten kann, zeigt der vorliegende Fall. Aber wäre es dann – um eben solche Streits zu vermeiden – nicht am Gesetzgeber, den Strafzahlungskatalog nach § 52 EEG 2023dahingehend abzuändern? Denkbar wäre ein „abgestuftes Sanktionssystem“: Erforderlich wäre zunächst eine Regelung, dass keine Sanktionierung im Fall von unverschuldet eingetretenen „Pflichtverstößen“ erfolgt – Stichwort Blitzschlag. Ab Kenntnis des „unverschuldeten Pflichtverstoßes“ könnte man dann eine – noch zu bemessende – Frist zum Tätigwerden normieren: So der Pflichtverstoß innerhalb der Frist behoben wird, sollte weiterhin keine Sanktionierung erfolgen. So der Pflichtverstoß innerhalb der Frist nicht behoben wird, ist zu differenzieren: Wurde die Pflicht unverschuldet versäumt; z.B. wegen Lieferschwierigkeiten des Ersatzteils: Weiterhin keine Sanktionierung und gegebenenfalls eine Fristverlängerung zur Problembehebung. Erst – und nur dann – wenn die Pflicht seitens des Anlagenbetreibers verschuldet versäumt wurde, sollte man über eine Sanktionierung nachdenken. De lege ferenda bleibt also noch einiges zu tun. Angesichts des großen finanziellen Ausmaßes und der „Ausstrahlungswirkung“ auch auf andere Bereiche – Stichwort BNK -wäre hier ein Eingreifen des Gesetzgebers dringen erforderlich.

Ansprechpartnerin

Katharina Vieweg-Puschmann

Rechtsanwältin und Notarin bei Engemann & Partner, Rechtsanwälte mbB

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