Der Bundestag hat den §16b des Bundes-Immissionsschutzgesetz neu geschaffen. Das hat auch Auswirkungen auf die Genehmigungsverfahren für Repoweringanträge, Artenschutzvorschriften und Schallrichtwerte. Der Fachanwalt Dr. Oliver Frank erklärt die Auswirkung des §16b BImSchG.

Eine neue Fassung des §16b BImSchG

Der Deutsche Bundestag hat am 24. Juni unmittelbar vor der Sommerpause in einer Marathonsitzung bis tief in die Nacht zahlreiche Gesetzesvorhaben beschlossen. Hierzu gehört mit § 16b BImSchG auch eine Vorschrift, die insbesondere die Windenergiebranche aufhorchen lässt und die Durchführung von immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren für Repoweringvorhaben erleichtern soll. Vorangegangen waren lange und zähe Diskussionen über mögliche Formulierungen des § 16b BImSchG; der ursprüngliche Entwurf des Bundesumweltministeriums war in der Windenergiebranche noch auf relativ wenig Gegenliebe gestoßen. Auch die schließlich beschlossene Fassung stellt mit Sicherheit nicht das Optimum einer Regelung dar, die sich die Branche gewünscht hätte und die schließlich den Knoten in Repoweringverfahren auflösen könnte. Sie enthält hilfreiche Ansätze, wirft aber gleichzeitig weitere Fragen auf.

Geltungsbereich des §16b BImSchG

Anlass für die Neuschaffung des § 16b BImSchG war die Richtlinie (EU) 2018/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.12.2018 zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen (RED II), die Ende 2018 in Kraft getreten ist. Diese Richtlinie zielt u.a. darauf ab, Zulassungsverfahren effizient und für den Antragsteller weniger kompliziert zu gestalten und dadurch Projekte im Bereich der erneuerbaren Energien zu fördern. Was lag also näher, als die für den Erfolg der Energiewende äußerst relevante Thematik des Repowerings einer Generalüberholung zu unterziehen und bestehende Zweifelsfragen im Sinne einer Verfahrensvereinfachung mit Bindungswirkung für die Genehmigungsbehörden zu klären?

Eine Definition von Repowering

Der Gesetzgeber stand zunächst vor dem Problem, den Begriff des Repowerings zu definieren. § 16b Abs. 2 BImSchG besagt nunmehr, dass die Modernisierung einer Anlage zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien (Repowering) den vollständigen oder teilweisen Austausch von Anlagen oder Betriebssystemen und -geräten zum Austausch der Kapazität oder zur Steigerung der Effizienz oder der Kapazität der Anlage umfasst. Geht es – wie bei WEA eigentlich immer – um einen vollständigen Austausch der Anlage, so wird ein Repowering nur dann angenommen, wenn die neue Anlage innerhalb von 24 Monaten nach dem Rückbau der Bestandsanlage errichtet wird und der Abstand zwischen Bestandsanlage und neuer Anlage höchstens das Zweifache der Gesamthöhe der neuen Anlage beträgt. Werden diese Vorgaben nicht eingehalten, so ist § 16b BImSchG nicht anwendbar. Über diese Eingrenzung des Repowerings hinaus macht der Gesetzgeber keine Angaben zu dem Verhältnis der Anzahl von Alt- und Neuanlagen oder der Anlagengrößen zueinander. Dies kann letztlich nur bedeuten, dass diese Aspekte für die Anwendbarkeit des § 16b BImSchG nicht relevant sind.

Das Problem mit der Betreiberidentität

Problematisch dürfte sein, dass der Anlagenbetreiber des Altvorhabens und derjenige des Neuvorhabens in der Praxis oftmals nicht personenidentisch sind. Nach der Systematik des Immissionsschutzrechts ist es für die Erteilung einer Änderungsgenehmigung aber gerade Voraussetzung, dass Betreiberidentität besteht. Da § 16b Abs. 1 BImSchG ausdrücklich auf die Durchführung eines Änderungsgenehmigungsverfahrens Bezug nimmt, könnten sich also letztlich zahlreiche Fälle ergeben, in denen die verfahrensvereinfachende Vorschrift des § 16b mangels Betreiberidentität keine Anwendung findet.

Auswirkungen des §16b BImSchG für Repowering-Anträge

§ 16b Abs. 1 enthält die Grundaussage, dass im Rahmen eines Änderungsgenehmigungsverfahrens für ein Repowering auf Antrag des Vorhabenträgers nur Anforderungen geprüft werden, soweit durch das Repowering im Verhältnis zum gegenwärtigen Zustand unter Berücksichtigung der auszutauschenden Anlage nachteilige Auswirkungen hervorgerufen werden und diese für die Prüfung nach § 6 erheblich sein können. Es soll also im Wege des sog. „Delta-Ansatzes“ im Ergebnis nur darauf ankommen, wie sich die Situation durch das Repowering im Vergleich zu der Bestandsituation ändert, sofern der Vorhabenträger dies beantragt.

Ausgefüllt wird diese Vorgabe zunächst durch § 16b Abs. 3, der sich mit Schallimmissionen beschäftigt. Dementsprechend darf die Genehmigung eines Repoweringvorhabens nicht versagt werden, wenn dieses Vorhaben zwar nicht alle Immissionsrichtwerte der TA Lärm einhält, wenn aber der Immissionsbeitrag der Repoweringanlage niedriger ist als der Immissionsbeitrag der durch sie ersetzten WEA, und wenn die Repoweringanlage dem Stand der Technik entspricht. Durch diese Formulierung wird klargestellt, dass eine schalltechnische Verbesserung durch das Repowering regelmäßig zulässig ist, selbst wenn im Ergebnis immer noch Schallrichtwerte überschritten sein sollten. Diese Auslegung war bereits nach dem früheren Recht möglich, wenn man im Rahmen einer Sonderfallprüfung nach der TA Lärm vorging. § 16b Abs. 3 stellt aber nunmehr für alle Rechtsanwender klar, dass in dem genannten Fall die Repowering-Genehmigung zu erteilen ist. Der ergänzende Bezug auf den Stand der Technik hat vor allem zur Folge, dass Repoweringanlagen nicht ton- oder impulshaltig sein dürfen, selbst wenn es im Ergebnis zu einer Verbesserung der Schallsituation kommt.

Konsequenzen für den Artenschutz

Äußerst relevant, aber auch in mancherlei Hinsicht missglückt ist die Neuregelung zum Artenschutzrecht in § 16b Abs. 4. Diese besagt in Satz 2, dass Auswirkungen der zu ersetzenden Bestandsanlage bei der artenschutzrechtlichen Prüfung „als Vorbelastung berücksichtigt werden“ müssen. Verstünde man den Begriff der Vorbelastung so wie die TA Lärm, so würde § 16b Abs. 4 S. 2 keinen rechten Sinn machen, denn im Falle des Repowerings geht es ja gerade nicht um die Addition von Vorbelastung der Bestandsanlagen und Zusatzbelastung der Neuanlagen zur Gesamtbelastung.
Vielmehr zeichnet sich ein Repowering gerade dadurch aus, dass die ursprünglich bestehende Belastung durch den Rückbau der Altanlagen wegfällt. Sieht man sich insoweit die Begründung des Gesetzesentwurfs des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit vom 22. Juni an, so wird deutlich, was wirklich Absicht des Gesetzgebers war. Dort wird darauf hingewiesen, dass die als Vorbelastung zu wertende Bestandsanlage im Rahmen des Repowering zurückgebaut wird und nach dem Repowering als Belastung entfällt. Im Rahmen der Signifikanzprüfung sei entsprechend der Begründung also zu prüfen, ob durch die Änderungen im Rahmen des Repowerings die Belastungen für die vor Ort auftretenden Arten sinken oder steigen. Dabei sei regelmäßig davon auszugehen, dass durch eine Verringerung der Anlagenzahl und größere Anlagenhöhen „die Eingriffe in den Artenschutz geringer sind“. Gewollt war mit § 16b Abs. 4 BImSchG also offensichtlich die Vorgabe, wonach das Repoweringvorhaben artenschutzrechtlich zulässig sein soll, wenn sich die artenschutzrechtliche Situation durch das Repowering im Vergleich zu der Bestandsituation verbessert oder zumindest gleichbleibt. Dies entspricht auch der Grundsatzregelung in § 16b Abs. 1.

Droht Angreifbarkeit durch Umweltverbände?

Dieses Verständnis der Norm bedeutet allerdings nicht, dass im Rahmen des Repoweringantrags artenschutzrechtliche Erfassungen nur „auf Sparflamme“ durchzuführen wären. Vielmehr besagt § 16b Abs. 4 S. 1 ausdrücklich, dass der Umfang der artenschutzrechtlichen Prüfung nicht berührt wird. Dies ist auch gut so, da die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung großen Wert auf eine ordentliche naturschutzfachliche Sachverhaltsermittlung legt. Würde hier bei Repoweringvorhaben „geschlabbert“, so hätte dies u.U. die Angreifbarkeit der Repoweringgenehmigung gerade durch Umweltverbände zur Folge.

Die Begründung des Ausschusses enthält außerdem weitere hilfreiche Ausführungen zur Berücksichtigung von Gesichtspunkten, die im Rahmen der Delta-Prüfung zu beachten sind. So sei bei der nachträglichen Ansiedlung geschützter Arten in der Nähe von WEA immer ein Gewöhnungseffekt zu prüfen; ferner sei die Veränderung des Abstandes zwischen Neuanlage und geschützter Art im Verhältnis zum Abstand der Bestandsanlage zur geschützten Art ebenfalls maßgeblich. Besonders entscheidend ist nach der Begründung aber die individuelle Flughöhe der geschützten Art, die oftmals dazu führen wird, dass bei Durchführung eines Repowerings die Rotorebene in einen Bereich wandert, der gar nicht mehr oder nur noch äußerst selten von geschützten Vogelarten beflogen wird.

Die Begründung verweist schließlich auf die Möglichkeit einer artenschutzrechtlichen Ausnahme, falls sich durch das Repoweringvorhaben im Ergebnis doch eine signifikante Erhöhung des Tötungsrisikos für Exemplare betroffener Arten ergeben sollte. So sei im Fall von Repowering regelmäßig davon auszugehen, dass Alternativstandorte für das Vorhaben nicht in Betracht kommen. Bei Beantragung eines Repoweringvorhabens soll die nach § 45 Abs. 7 BNatSchG erforderliche Alternativenprüfung also stets zu dem Ergebnis kommen, dass keine Standortalternative besteht. Ob dieser gut gemeinte Ansatz im Ergebnis weiterhelfen wird, wird sich zeigen. Da von der artenschutzrechtlichen Ausnahme in Nordrhein-Westfalen im Zusammenhang mit Windenergieprojekten bislang praktisch kein Gebrauch gemacht wurde, dürfte sich diese Problematik hier aber im Ergebnis äußerst selten stellen.

Planungsrechtliche Aspekte

§ 16b Abs. 5 BImSchG besagt, dass die Prüfung anderer öffentlich-rechtlicher Vorschriften, insbesondere des Raumordnungs-, Bauplanungs- und Bauordnungsrechts, unberührt bleibt. Das bedeutet, dass auch bei Repoweringvorhaben grundsätzlich maßgeblich ist, ob sich das beantragte Projekt innerhalb einer durch die Standortgemeinde wirksam ausgewiesenen Konzentrationszone für WEA befindet. Durchbrechungen oder Aufweichungen der Regelausschlusswirkung des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB sind insoweit gerade nicht vorgesehen.

Schließlich enthalten die Absätze 6 und 7 weitere Verfahrensvereinfachungen, die an dieser Stelle nicht komplett erläutert werden können. U.a. soll auf einen Erörterungstermin verzichtet werden, wenn nicht der Antragsteller diesen beantragt. Dies könnte zu einem nicht unerheblichen Zeitgewinn führen. Außerdem soll das Repowering grundsätzlich in einem vereinfachten Verfahren nach § 19 BImSchG beschieden werden, sofern es maximal 19 WEA umfasst.

Offene Fragen

Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Neuregelung in § 16b BImSchG zwar gut gedacht, aber leider nicht in jeder Hinsicht gut gemacht ist. Es wird sich zeigen, inwieweit hiermit tatsächlich eine Vereinfachung und Beschleunigung von Genehmigungsverfahren für Repoweringprojekte erreicht wird. Dies wird letzten Endes auch maßgeblich von der Herangehensweise der jeweils zuständigen Immissionsschutzbehörde und von deren Verständnis des § 16b BImSchG abhängen.

Ansprechpartner

Dr. Oliver Frank

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Verwaltungsrecht in der Kanzlei Engemann und Partner Rechtsanwälte mbB

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