Drohen Teile der Verteil- oder Übertragungsnetze überlastet zu sein, können Erneuerbare-Energien-Anlagen abgeregelt werden. Doch wer zahlt dem Anlagenbetreiber die entgangenen Erlöse? Der BGH hat dazu eine betreiberfreundliche Rechtsprechung getroffen.

Der Begriff des Einspeisemanagements, in verkürzter Form auch als Eisman oder Einsman bezeichnet, beschreibt die vom Netzbetreiber vorgenommene Abregelung der Einspeisung von Strom aus Erneuerbaren Energien sowie KWK- und Grubengasanlagen in das Stromnetz.

Diese Abregelung der Einspeisung ist erforderlich, wenn einzelne Abschnitte eines Verteil- oder Übertragungsnetzes überlastet sind und ein derartiger Netzengpass eine Gefahr für die Versorgungssicherheit darstellt. In der Praxis heißt dies, dass z.B. Windkraftanlagen aus dem Wind gedreht werden. Wer aber zahlt dem Anlagenbetreiber die in diesem Fall entgangenen Einspeiseerlöse?

Entschädigung bei Netzengpass

Eine Regelung zu dieser Frage enthält § 15 Abs. 1 EEG 2017. Wird danach die Einspeisung von Strom aus einer Anlage zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien „wegen eines Netzengpasses“ im Sinne von § 14 Absatz 1 reduziert, muss der Netzbetreiber, an dessen Netz die Anlage angeschlossen ist, die von der Maßnahme betroffenen Betreiber - in gesetzlich näher definiertem Umfang - entschädigen. Wann aber genau liegt ein solcher entschädigungspflichtiger Netzengpass vor?

In seinem Urteil vom 11. Februar 2020 (Az. XIII ZR 27/19) hat sich der Bundesgerichtshof (BGH) mit dieser Frage befasst. Der BGH setzt sich in den Entscheidungsgründen ausführlich mit dem Tatbestandsmerkmal des Netzengpasses im Sinne von § 11 Abs. 1 Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) 2012 und § 14 Abs. 1 EEG 2014 auseinander.

Diese Vorgängervorschriften sind inhaltsgleich mit den aktuell geltenden Regelungen für das Einspeisemanagement in den §§ 14 und 15 EEG 2017. Insofern ist das Urteil auch auf die heutige Rechtslage übertragbar.

Betreiberfreundliche Rechtsprechung

Abweichend von seiner bisherigen Rechtsprechung – und wesentlich anlagenbetreiberfreundlicher – urteilte der BGH nunmehr, dass ein solcher Engpass bereits dann vorliegen könne, wenn ein Betriebsmittel infolge einer Störung oder der Durchführung von Reparatur-, Instandhaltungs- oder Netzausbaumaßnahmen nicht zur Verfügung stehe.

Zunächst führte der BGH aus, dass nicht bei jeder Trennung einer Anlage vom Stromnetz und einer damit einhergehenden Einspeiseunterbrechung für diese Anlage eine durch einen Netzengpass bedingte Reduzierung der Stromeinspeisung im Sinne des EEG gegeben sei. Habe die Anlagentrennung beispielsweise ihre Ursache darin, dass die Zuleitung von der Anlage zum Netz aufgrund der Reparatur-, Instandhaltungs- oder Netzausbaumaßnahmen außer Funktion gesetzt werde, könne eine Stromeinspeisung von der betreffenden Anlage unabhängig von den aktuellen Netzkapazitäten bzw. einem Netzengpass nicht erfolgen. Dann läge kein entschädigungspflichtiger Netzengpass vor. Anders sei es – und eine Entschädigungspflicht des Netzbetreibers zu bejahen - , wenn in den betroffenen Bereich des Netzes weiterhin von anderen Stromerzeugungsanlagen Strom eingespeist und die geregelte Anlage gerade zu dem Zweck vom Netz getrennt werde, eine Verringerung der insgesamt einzuspeisenden Strommenge herbeizuführen.

Ein Entschädigungsanspruch sei demzufolge gegeben, falls die konkrete Reparaturmaßnahme einen (drohenden) Netzengpass verursache und die Regelungsmaßnahme des Netzbetreibers als Reflex auf diesen Umstand diene, also die Entlastung des ansonsten überlasteten Netzes diene.

Es bestehe kein Anlass, solche Fälle aus dem Anwendungsbereich des Einspeisemanagements auszuschließen, in denen die Netzkapazität infolge von Reparatur-, Wartungs- oder anderen dem Erhalt des Netzes dienenden Maßnahmen vorübergehend vermindert sei. Dies gelte auch dann, wenn die vorübergehende Trennung der Anlage auf Baumaßnahmen beruhe, die dem Netzausbau dienten.

Situation für Anlagenbetreiber verbessert

Die Entscheidung des BGH ist zu begrüßen. Denn es gebietet weder der Wortlaut des Gesetzes noch die Gesetzesbegründung oder der Sinn und Zweck des EEG, die Entschädigungspflicht des Netzbetreibers bei Einspeisereduzierungen, die ihre Ursache in einem reparatur-, wartungs- oder instandhaltungsbedingten Netzengpass haben, auszuschließen. Denn Sinn und Zweck der Regelungen zum Einspeisemanagement ist es, die Situation des Anlagenbetreibers, dessen Anlagen abgeregelt wurden, zu verbessern.

Dies aber spricht für eine extensive Auslegung der Regelung zur Entschädigungspflicht und einen weiten Anwendungsbereich. Der Gesetzeszweck der weitestmöglichen Entschädigung des Anlagenbetreibers ist aber dann am besten zu verwirklichen, wenn der Anlagenbetreiber einen Entschädigungsanspruch bei jeder Einspeisereduzierung aufgrund eines Netzengpasses und unabhängig von dessen Ursache gegen den Netzbetreiber hat.

Denn nur auf diese Weise ist es möglich, Anlagenbetreibern, die mit einer festen – und regelmäßigen - Förderung durch den Netzbetreiber – im wahrsten Sinne des Wortes – „rechnen“, die erforderliche Planungs- und Investitionssicherheit zu geben. Getreu dem Motto: „Hauptsache, das Geld fließt“ – ob es nun Förderung oder Entschädigungszahlung heißt.

Weiterhin begründet der BGH seine Entscheidung damit, dass eine Bejahung der Entschädigungsregelung unabhängig von der im Einzelfall gegebenen Ursache des Engpasses eine weitgehende Gleichbehandlung der Anlagenbetreiber untereinander und damit die Möglichkeit eines effizienten Einsatzes des Einspeisemanagements durch die Netzbetreiber ermögliche. Auch dies ist eine zutreffende Überlegung.

Was aber bedeutet aber nun die Entscheidung des BGH für den Anlagenbetreiber, dessen Anlagen abgeregelt wurden? Zunächst einmal ein wenig Arbeit: Denn darlegungs- und beweisbelastet dafür, dass eine die Stromeinspeisung betreffende Regelungsmaßnahme des Netzbetreibers auf einem drohenden Netzengpass beruht, trifft den Anlagenbetreiber. Hier ist also entsprechender Vortrag des Anlagenbetreibers erforderlich, der auch schlüssig dargetan sein muss, um einen etwaigen Anspruch zu substantiieren.

Im Zweifel empfiehlt es sich, hier rechtlichen Rat einzuholen, um einen etwaig bestehenden Anspruch nicht durch falschen Vortrag zunichte zu machen.

Ansprechpartnerin

Katharina Vieweg-Puschmann

Rechtsanwältin und Notarin bei Engemann & Partner, Rechtsanwälte mbB

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