Was ist neu? Viele Betreiber von EE-Anlagen haben in den letzten Tagen Aufforderungsschreiben ihrer Netzbetreiber in Vorbereitung und zur Umsetzung des Redispatch 2.0 erhalten. Für die angeforderten Informationen wurden oftmals kurze Fristen gesetzt. Die Fachanwältin Martina Beese erklärt, worum es geht und wie der (verpflichtende) Zeitplan aussieht:
Dispatch und Redispatch
Unter dem Begriff Dispatch versteht man bislang die Einsatzplanung von Kraftwerken durch Kraftwerksbetreiber im Sinne einer Kraftwerkseinsatzplanung. Der Begriff Redispatch bezeichnet die kurzfristige Änderung des Kraftwerkseinsatzes auf Anforderung der Übertragungsnetzbetreiber zur Vermeidung von Netzengpässen. Hierzu gab es im Bereich der bisherigen Regelungen für Kraftwerke Fahrpläne, deren Inhalt die am Folgetag zu produzierenden Strommengen sind. Aus der Summe der Fahrpläne in den vier Regelzonen der Übertragungsnetzbetreiber gibt es einen geplanten Einsatz aller entsprechenden Kraftwerke. Mit der Übersicht der voraussichtlichen Gesamtdeutschen Ein- und Ausspeisung auf Netzebene soll die Anzahl kurzfristiger Eingriffe in die Fahrweise von konventionellen und regenerativen Kraftwerken zur Sicherung der Netzstabilität geringer gehalten werden. Mit einer gezielten Verschiebung der geplanten Stromproduktionen sollen nach der Zielrichtung vorausschauend Netzengpässe vermieden werden. Die Anweisung zur Verschiebung der Stromproduktion wird mit dem Begriff Redispatch bezeichnet.
Was ändert sich?
Der Unterschied zwischen dem bisherigen bekannten Einspeisemanagement und dem Redispatch 2.0 ist, dass der Eingriff in die Erzeugungsleistung der Anlage auf Basis von Prognosen erfolgt und deshalb zwischen den Netzbetreibern vorab abgestimmt werden kann. Im Einspeisemanagement hingegen ging es um die kurzfristige Behebung von Netzengpässen.
Mit der Anwendung auch im Bereich der Erneuerbaren Energien ist die Zielrichtung verbunden, Dauer und Häufigkeit der Einsätze zu reduzieren. Bislang wurden EE-Anlagen nur herangezogen, wenn sie im Rahmen des Einspeisemanagements abgeregelt werden mussten. Erst wenn über das Redispatch alle konventionellen Möglichkeiten ausgeschöpft worden waren, erfolgte die Abregelung von EE-Anlagen (Vorrang der Erneuerbaren Energien). In der Praxis wird festgestellt, dass die Redispatch-Maßnahmen in den letzten Jahren stark angestiegen sind und dass viele dezentrale EE-Anlagen häufig näher am Netzengpass liegen und dadurch zielgenauer den Netzengpass beseitigen können, indem man durch Redispatch 2.0 die Mengen vor und hinter den Netzengpässen reduziert und regelt, um die Kosten im Gesamtsystem zu senken. Mit dem Redispatch 2.0 ist also insgesamt für alle Erzeuger eine geplante Fahrweise angestrebt/Verschiebung mit dem Ziel der Vermeidung von Maßnahmen zur Sicherung der Netzstabilität.
Grundlage dessen ist die Ermöglichung von Prognosen, wodurch es erforderlich wird, dass Anlagenbetreiber und Netzbetreiber umfangreiche Daten per elektronischer Marktkommunikation austauschen. Auch im Redispatch 2.0 werden weiterhin konventionelle Anlagen primär herangezogen, erst wenn die Regelung der EE-Anlage um einen definierten Faktor günstiger ist, erfolgt die Berücksichtigung dieser. Start für die Umsetzung des Redispatch 2.0 und damit Ablösung des Systems Einspeisemanagement ist der 01.10.2021. (vgl. § 100 Abs. 8 EEG 2021). Insofern gilt dann der Redispatch 2.0 gem. EnWG.
Neue Marktrollen und Entscheidungen
Der Redispatch 2.0 sieht vier neue Marktrollen vor: Der Lieferant, der Bilanzkreisverantwortliche (BKV), der Einsatzverantwortliche (EIV) und der Betreiber der technischen Ressource (BTR). Wesentlich für den Betreiber sind der EIV und der BTR. Der EIV übermittelt die Stammdaten sowie etwaige Prognosen der Anlagen und kümmert sich im Aufforderungsfall auch um die konkrete Durchführung der Redispatch-Maßnahme. Der BTR übernimmt die Abwicklung der Abrechnungsdaten nach der Redispatch-Maßnahme zur Abrechnung des Ausfalls der Anlage.
Seitens der Bundesnetzagentur wurden diese Rollen bewusst getrennt, damit Anlagenbetreiber diese Marktrollen auch an unterschiedlich Experten für Energiedaten übertragen können. So kann z.B. der Direktvermarkter der EIV werden und der bisherige Abrechnungsdienstleister die Rolle des BTR übernehmen.
Die Aufgaben können auch vom Anlagenbetreiber selbst wahrgenommen werden. Allerdings erfordert der automatisierte Datenaustauschprozess zukünftig kürzeste Reaktionsfristen und die Ausstattung mit entsprechender Software, Hardware und notwendigen IT-Zertifikaten (vgl. BNetzA-Festlegungen BK6-20-059 und BK6-20-061).
Welche Entscheidungen müssen getroffen werden?
Mit Beginn des Redispatch 2.0 sind dann weiteren Planungsdaten und Echtzeitdaten ab dem 01.10.2021 zu übermitteln. Insbesondere hinsichtlich der Planungsdaten erfordert dies die Auswahl des Anlagenbetreibers zwischen den verschiedenen Teilnahmemodellen. Dies beinhaltet einmal die Wahl des Bilanzierungsmodells, d. h. der Anlagenbetreiber muss sich entscheiden, ob er das sog. Prognosemodell wählt, bei dem der Netzbetreiber den Fahrplan prognostiziert, oder ob er sich für das Planwertmodell entscheidet, bei dem er selbst die Prognosen im Rahmen der Marktrollenverteilung abgeben muss (EIV). EE-Anlagen, die abhängig vom EE-Angebot sind, werden eher dem Prognosemodell unterfallen.
Als weitere Entscheidung steht an, ob der Anlagenbetreiber die Anlage auf Aufforderung selbst regelt (Aufforderungsfall) oder, wie im bisherigen Einspeisemanagement üblich, die Regelung durch den Netzbetreiber duldet (Duldungsfall). Marktexperten gehen davon aus, dass die Vorteile des Duldungsfalls überwiegen. Das Verfahren ist bereits erprobt, die Steuerungstechnik des Netzbetreibers verbaut und die relevanten Reaktionsfristen können durch den Netzbetreiber und seine Infrastruktur unproblematisch sichergestellt werden. Im Aufforderungsfall muss der EIV eigene Steuerungstechnik verbauen und seine Reaktionszeiten nachweisen. Deshalb wird hier für den Anlagenbetreiber ein Vorteil des Duldungsfalls gesehen.
Wer macht was?
Orientiert an den Aufgaben der neuen Marktrollen und den Anforderungen an den automatisierten Datenaustauschprozess wird es für viele Anlagenbetreiber sinnvoll sein, die Aufgabenübertragung mit den bisherigen Vertragspartnern der Direktvermarktung und der Abrechnung zu klären. Hier bestehen oftmals bereits die erforderlichen Strukturen für eine reibungslose Umsetzung.
Bis wann?
Die Stammdaten sind erstmals aus Verlangen des Anschlussnetzbetreibers frühestens zum 01.07.2021 zu übermitteln. Die sog. Planungsdaten sind entsprechend für die Zeiträume ab dem 01.10.2021 zu übermitteln. Echtzeitdaten sind gleichfalls spätestens ab dem 01.10.2021 übermitteln.
Und los geht es!
Im Ergebnis sind die Betreiber von EE-Anlagen in den kommenden Wochen gehalten, Abstimmungsprozesse mit ihren Dienstleistern (z.B. Direktvermarkter, Abrechnungsdienstleister) durchzuführen und die Übernahme von Marktrollen vertraglich zu regeln. Alles mit dem Ziel, die Meldungen fristgerecht erledigen zu können. Auch auf der Empfängerseite wird am Anfang sicherlich nicht alles reibungslos bei den Datenmeldungen laufen.
Für das Windparkdesign verschiedener Betreiber heißt es aktuell und zukünftig, dass weitere Abstimmungen untereinander erfolgen müssen.
Weitere Informationen finden die Betreiber von EE-Anlagen beim BDEW und zu den Veröffentlichungen der Festlegungsverfahren, geführt bei der Bundesnetzagentur.
Ansprechpartnerin

Martina Beese
Rechtsanwaltin
in der Kanzlei Engemann und Partner Rechtsanwälte mbB