Die Corona-Krise macht auch vor der Energiewirtschaft nicht halt und wirft viele neue Fragen auf. Davon aktuell betroffen: Betreiber von Windenergieanlagen. Die BNetzA hat jetzt Stellung bezogen, wie mit den Ausschreibungen in Krisenzeiten umgegangen wird. Unsere Gastautorin wirft einen Blick auf die rechtlichen Bedingungen.

Aktuelle Fragestellungen für Betreiber von Windenergieanlagen

Neben den gesundheitlichen Problemen, die die Corona-Krise aufwirft, sind es vor allem auch wirtschaftliche und rechtliche Fragen, die sich für zahlreiche Betreiber von Regenerativstromanlagen, so auch Windenergieanlagenbetreiber, stellen. Dies betrifft insbesondere (zukünftige) Anlagenbetreiber, die in einer Ausschreibungsrunde der Bundesnetzagentur bereits einen Zuschlag erhalten haben, nun aber – zum Beispiel aufgrund unterbrochener oder verzögerter Lieferketten – unsicher sind, ob sie die Realisierungsfristen zur Inbetriebnahme der bezuschlagten Windenergieanlagen einhalten können. Besteht hier gegebenenfalls die Möglichkeit der Verlängerung der Realisierungsfrist und ist dies „gefahrlos“ möglich oder mit Risiken verbunden? Weiterhin stellt sich die Frage, ob die gesetzlich vorgesehenen Pönalen auch dann zu leisten sind, wenn die Windenergieanlage „coronabedingt“ verzögert in Betrieb genommen wird – denn hieran trifft den Anlagenbetreiber nun wirklich keine Schuld. Oder kommt es auf ein Verschulden gar nicht an, sodass die Pönale so oder so anfällt?

Stellungnahme der BNetzA

Zu den oben genannten Themenkomplexen hat die Bundesnetzagentur auf ihrer Homepage Stellung bezogen (Stand: 16.04.2020). Im Hinblick auf die Realisierungsfristen führt sie aus, dass eine Verlängerung der Realisierungsfrist u.a. für Gebote für Wind an Land auf formlosen Antrag unbürokratisch gewährt wird. Die Anträge könnten per E-Mail gestellt werden, in ihnen sind die Gründe mitzuteilen, die zu einer Verzögerung des Projekts geführt haben. Ab wann dieser Antrag gestellt werden kann, wird in der „Handreichung für die Bieter für Anträge zur Fristverlängerung“ näher ausgeführt, die die Bundesnetzagentur gleichfalls auf ihrer Homepage veröffentlich hat. Danach sollten Anträge frühestens acht Monate vor Ablauf der Realisierungsfrist und spätestens bis zum Fristablauf gestellt werden. Zum Zeitpunkt der Antragstellung sollte tatsächlich absehbar sein, ob überhaupt eine Fristverlängerung notwendig ist und wie lange diese ausfallen muss. Anträge, die Fristen betreffen, deren Ende mehr als acht Monate entfernt ist, oder die sich auf Zuschläge beziehen, deren Realisierungsfrist bereits abgelaufen ist, werden abgelehnt.

Erfreuliche Verlängerung unter Vorbehalt

So erfreulich die Verlängerung der Realisierungsfrist erscheinen mag, hat sie dennoch ihre Kehrseiten: Zum einen ist zu beachten, dass die Aussagen der BNetzA, coronabedingte Verlängerungen der Realisierungsfristen zu gewähren, derzeit ohne eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage erfolgen. § 85 Abs. 2 EEG 2017 stellt die spezifische Ermächtigungsnorm für die Kompetenz der Bundesnetzagentur dar, in einigen Bereichen des EEG Festlegungen zu treffen.
Die Verlängerung von Realisierungsfristen gehört jedoch gegenwärtig nicht dazu. Hier müsste erst der Gesetzgeber tätig werden, um die Kompetenz der BNetzA für diesen Aspekt zu schaffen. Schlechtestenfalls könnte also ein Netzbetreiber auf den Gedanken kommen, die Wirksamkeit eines – coronabedingt verlängerten – Zuschlags mangels gesetzlicher Grundlage für die Verlängerung anzuzweifeln. Ein Rechtsstreit hierüber wäre ggf. die Folge.

Trotz Fristverlängerung: Förderdauer beginnt zu laufen

Zum anderen ist zu beachten, dass die Förderdauer für Windenergieanlagen an Land trotz Fristverlängerung nach Ablauf der gesetzlichen Realisierungsfrist dennoch zu laufen beginnt. Gem. § 36i EEG 2017 beginnt der 20-jährige Förderzeitraum spätestens 30 Monate nach der Bekanntgabe des Zuschlags an den Bieter oder im Fall des § 36g (=Bürgerenergiegesellschaft) nach der Bekanntgabe der Zuordnungsentscheidung auch dann, wenn die Inbetriebnahme der Windenergieanlage an Land aufgrund einer Fristverlängerung nach § 36e Absatz 2 erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt. § 36e Abs. 2 EEG 2017 betrifft die „normale Fristverlängerung“ im Fall der Einlegung eines Rechtsbehelfs durch Dritten nach Gebotsabgabe sowie der sofortigen Vollziehbarkeit der Genehmigung. In diesem Fall verkürzt sich die Dauer des Förderanspruchs um die in Anspruch genommene Fristverlängerung. Dass für die „Corona-Fristverlängerung“ etwas anderes gelten sollte, ist nicht ersichtlich.
Zutreffenderweise führt die Bundesnetzagentur in ihrer Handreichung aus, dass eine Änderung dieser Rechtsfolge nur durch eine Gesetzesänderung möglich wäre. Solange diese nicht vorliegt, könnte sich also der Fristverlängerungsantrag als sprichwörtlich „falscher Freund“ erweisen, da die Förderdauer nach hinten hinaus verkürzt wird. Hier gilt es, wirtschaftlich – auch unter Beachtung der dann anfallenden Pönalzahlung -  abzuwägen, ob es ggf. ökonomischer ist, den Zuschlag verfallen zu lassen und erneut zu bieten.

Gesetzliche Grundlagen noch unzureichend

Im Hinblick auf die Pönalzahlungen teilt die BNetzA auf ihrer Homepage mit, dass sie bei coronabedingt verlängerten Zuschlägen bis auf weiteres keine dahingehenden Mitteilungen an die Übertragungsnetzbetreiber machen würde, „sodass keine Pönalen erhoben werden können“. Auch dies erfolgt ohne gesetzliche Grundlage, denn in § 55 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EEG 2017 steht schlicht, dass eine Pönale zu leisten ist, wenn die Windenergieanlage an Land mehr als 24 Monate nach öffentlicher Bekanntgabe des Zuschlags in Betrieb genommen worden ist – unabhängig davon, ob eine Fristverlängerung gewährt wurde oder nicht und unabhängig davon, ob dem Anlagenbetreiber ein Verschulden an den Verzögerungen trifft oder nicht.

Um coronabedingte Pönalzahlungen zu vermeiden, müsste beispielsweise die Pönalregelung dahingehend angepasst werden, dass sich die Frist des § 55 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EEG 2017 um den Zeitraum der coronabedingten Fristverlängerung verlängert. Nach Aussage der Bundesnetzagentur in ihrer Handreichung steht sie hier in engem Austausch mit dem Gesetzgeber.  Es bleibt also zu hoffen – und darauf hinzuwirken -, dass sich der Gesetzgeber zeitnah den Belangen der Regenerativstrombetreiber annimmt.

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